MDK-Behandlungsfehler-Begutachtung: Sicherheitskultur in der Medizin weiter verbessern

15.094 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern haben die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) 2016 erstellt. Damit haben erneut mehr Versicherte dieses Unterstützungsangebot genutzt. Das geht aus der Begutachtungsstatistik hervor, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Konsequente Anstrengungen zur Fehlervermeidung seien notwendig. Dazu gehören eine Meldepflicht für Behandlungsfehler und eine intensivere Forschung im Bereich Patientensicherheit.

In knapp jedem vierten Fall (3.564) bestätigten die Fachärzte des MDK den Verdacht der Patienten. „Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Leider bedeutet das jedoch nicht, dass sich das Risiko, einen Behandlungsfehler zu erleiden, generell verringert hätte. Denn Daten zu Behandlungsfehler liegen in Deutschland nur punktuell vor. Darum lässt sich auch das Gefährdungsrisiko nicht beziffern“, erläutert Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS. „Jeder Fehler, aus dem heute nichts gelernt wird, kann sich jedoch morgen wiederholen und erneut vielleicht einen schweren Schaden verursachen.“ Trotz erkennbarer Fortschritte müsse die Fehlerprävention in Deutschland systematisch weiterentwickelt werden. Die Einführung einer Meldepflicht wie zum Beispiel in Großbritannien sei dabei ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Sicherheitskultur. Gleiches gelte für die notwendige Intensivierung der Forschung zur Patientensicherheit in Deutschland.

Fehlerhäufungen lassen nicht unmittelbar auf erhöhtes Risiko schließen

In der aktuellen Statistik der MDK-Gemeinschaft betrafen zwei Drittel der Vorwürfe Behandlungen in der stationären Versorgung, zumeist in Krankenhäusern; ein Drittel bezog sich auf Behandlungen durch einen niedergelassenen Arzt oder eine niedergelassene Ärztin. 7.765 Vorwürfe (51,4 Prozent aller Vorwürfe) standen in direktem Zusammenhang mit der Behandlung im Operationssaal.

Wenn man sich die Vorwürfe verteilt auf die Fachgebiete anschaut, ergibt sich folgendes Bild: 33 Prozent aller Vorwürfe bezogen sich auf Orthopädie und Unfallchirurgie, 12 Prozent auf die Innere Medizin und Allgemeinmedizin, weitere 9 Prozent auf die Allgemeinchirurgie, ebenfalls 9 Prozent auf die Zahnmedizin, 7 Prozent auf die Frauenheilkunde und 4 Prozent auf die Pflege. „Eine hohe Zahl an Vorwürfen lässt jedoch nicht auf eine hohe Zahl an tatsächlichen Behandlungsfehlern schließen. Häufungen spiegeln vielmehr wider, dass Patienten in manchen Bereichen eher selbst erkennen können, wenn eine Behandlung fehlerhaft verlaufen sein könnte und in anderen nicht“, erklärt Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern. Schaut man sich die Fehler danach an, wo sie auftreten, steht die operative Therapie mit 31 Prozent an vorderster Stelle, gefolgt von der Befunderhebung mit 25 Prozent.

Medizinische Maßnahmen wurden gar nicht oder zu spät durchgeführt

In rund der Hälfte (51 Prozent) aller durch die Begutachtung bestätigten Fehler wurde eine erforderliche medizinische Maßnahme nicht (40 Prozent) oder zu spät (11 Prozent) durchgeführt. In der anderen Hälfte bestand der Fehler zumeist darin, dass eine notwendige Behandlung nicht korrekt durchgeführt wurde (39 Prozent). Fehler kamen auch zustande, weil eine falsche Maßnahme vorgenommen (10 Prozent) wurde, bei der von vornherein mehr Schaden als Nutzen zu erwarten war. Zwei von drei Patienten wurden vorübergehend geschädigt, einer von drei Patienten dauerhaft.

Daten über „Never Events“ für systematische Fehlervermeidung notwendig

Das Fehlergeschehen ist breit gefächert. „Wir müssen systematisch und auf Basis des besten verfügbaren Wissens Fehler analysieren und Präventionsmaßnahmen entwickeln“, sagt PD Dr. Max Skorning, Leiter Patientensicherheit beim MDS. „Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, die systematisch erfasst und analysiert werden muss.“ Für die Fehlerprävention sind zum Beispiel Informationen über Fehler notwendig, die einerseits besonders schwerwiegend sind, andererseits aber als sicher vermeidbar gelten. Dies sind „Never Events“ wie nach der Operation verbliebene Tupfer, die Verwechslung von Blutkonserven und ähnliches. Solche Fehler zeigen einen Sicherheitsmangel im System an, weniger ein Versagen des Einzelnen. In anderen Ländern mit vergleichbar hoch entwickelten Gesundheitssystemen müssen sie verpflichtend gemeldet werden – bislang jedoch nicht in Deutschland.

Hintergrund

Spezielle Gutachterteams prüfen in den MDK Vorwürfe von Behandlungsfehlern im Auftrag der Krankenkassen. Die Gutachter gehen dabei der Frage nach, ob die Behandlung nach dem anerkannten medizinischen Standard abgelaufen ist. Liegt ein Behandlungsfehler vor, wird außerdem geprüft, ob der Schaden, den der Patient erlitten hat, durch den Fehler verursacht worden ist. Nur dann sind Schadensersatzforderungen aussichtsreich. Auf der Basis des MDK-Gutachtens kann der Patient entscheiden, welche weiteren Schritte er unternimmt. Gesetzlich Versicherten entstehen durch die Begutachtung keine zusätzlichen Kosten.

Quelle: Medizinischer Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS)
Internet: www.mds-ev.de

 

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