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(Neuro) Psychologie

Keiner will die Psychologen in Anspruch nehmen, denn ER/SIE sind ja nicht „verrückt“. So sehen doch noch viele Menschen das Problem. Gleichzeitig ist erkennbar, dass kranke Menschen nicht mit Ihrer Krankheit umgehen können. Selbstüber- bzw. unterschätzung, Verdrängung und auch die Beeinträchtigungen in der Wahrnehmung sind individuell erkennbar.

Wie aber reagieren der Kranke und die Angehörigen auf unterschiedlich erkennbare Defizite? Suchen Sie nach Lösungswegen? Eine gute Entscheidung kann durchaus der Weg zum Neuropsychologen sein. Da die meisten diese Möglichkeit nicht kennen und auch nicht wissen welche Möglichkeiten es gibt, haben wir Dr. Karin Schoof-Tams gebeten uns in das Thema einzuführen.

Frau Dr. Karin Schoof-Tams stellt uns die Neuropsychologie in diesem Beitrag sehr ausführlich vor.

Die Neuropsychologie beschäftigt sich mit den Funktionen des Gehirns wie mit dem Denkvermögen (bzw. der Intelligenz), der Aufmerksamkeit, dem Gedächtnis, dem Sprachvermögen, den motorischen Fertigkeiten etc. Untersucht werden insbesondere gestörte Funktionen infolge von Erkrankungen oder Verletzungen des Gehirns. Darüber hinaus bietet die Neuropsychologie spezielle neuropsychologische Therapiemöglichkeiten für die Behandlung der neuropsychologischen Störungen und Beeinträchtigungen.

Wann ist eine neuropsychologische Therapie sinnvoll?

Die neuropsychologische Therapie wird bei allen krankheits- oder verletzungsbedingten Funktionsstörungen des Gehirns angewandt. Darunter fallen z.B. Folgen traumatischer Schädigungen des Gehirns wie Schädelprellung, Schädelbruch, Gehirnerschütterung, Hirnblutungen, Folgen von Schlaganfällen, Folgen entzündlicher Krankheiten wie z.B. Meningitis, Folgen epileptischer Erkrankungen, Folgen frühkindlicher Schädigungen und Entwicklungsstörungen des Zentralnervensystems, vaskuläre und degenerative Demenzformen, Parkinsonsche Erkrankung, Folgen raumfordernder Prozesse (Tumoren) etc.

Die Folgen solcher Erkrankungen des Gehirns und des ZNS sind neben Lähmungen und anderen körperlichen Beeinträchtigungen Störungen im Bereich der geistigen Leistungsfähigkeit, im Gefühlsleben oder Störungen im Sozialverhalten. Schwierigkeiten, den Alltag selbständig zu planen oder weitreichende finanzielle Entscheidungen zu treffen, mangelnde Kontrolle z.B. aggressiver Impulse werden oft erst nach der Entlassung aus der Klinik in der komplexen Situation des Alltags von Familienmitgliedern beobachtet und als problematisch und belastend erlebt. Es kommt vor, dass Betroffene ihre Störungen selbst nicht bemerken oder unterschätzen und sich oder andere durch ihr Verhalten in Gefahr bringen. Auch das Überschätzen von Schwierigkeiten kommt bei Patienten und Angehörigen vor und kann bei zu häufig angebotenen Hilfestellungen dazu führen, dass Patienten nicht so selbständig sind, wie sie es sein könnten. Zusätzlich zeigt es sich, daß viele Betroffene sich mit ihrem Zustand nicht abfinden können. Häufig kommt es dann zu Depressionen, Angst und Anspannung sowohl beim Patienten als auch bei Angehörigen. Langfristig ist es nicht selten, dass Menschen nach Erkrankungen und Verletzungen des Gehirns aufgrund dieser neuropsychologischen Störungen ihre früheren Sozialkontakte nicht aufrechterhalten können und sozial isoliert sind.

Bei diesen Störungen kann neuropsychologische Therapie hilfreich sein. Ziel der neuropsychologischen Therapie ist eine Reorganisation der durch die Hirnschädigung gestörten Identität und psychischen Funktionsfähigkeit. Es wird eine bestmögliche Wiedereingliederung der betroffenen Person in ihr ursprüngliches soziales Umfeld oder eine möglichst optimale individuelle Anpassung an neue soziale Bedingungen angestrebt. Die neuropsychologische Behandlung kann sowohl als Einzel- als auch Gruppentherapie durchgeführt werden. Sie findet Formen sowohl in der Akut-, Postakut- als auch in der chronischen Phase der Erkrankung statt. Bislang wurden neuropsychologische Behandlungen primär im stationären und teilstationären /tagesklinischen Kontext durchgeführt. Da jedoch hirngeschädigte Patienten aufgrund schwerer kognitiver Einbußen oftmals nicht in der Lage sind, die gelernten Kompensationsstrategien selbständig auf ihr Lebensumfeld zu übertragen, wird – vor allem in der chronischen Phase – zunehmend eine gemeindenahe Behandlung und Versorgung angestrebt. Für bestimmte Patienten mit sehr schweren Verhaltensauffälligkeiten (z.B. aggressiven Verhaltensweisen) sind spezielle Behandlungseinrichtungen notwendig.

Wie sieht der Ablauf einer neuropsychologischen Therapie aus?

Vor Beginn einer Therapie führt die Neuropsychologin / der Neuropsychologe zuerst eine ausführliche neuropsychologische Diagnostik durch, um einen detaillierten Überblick über die vorhandenen Probleme, aber auch die Stärken zu gewinnen. Diese Untersuchung ist in der Regel umfangreich und umfasst die Untersuchung von kognitiven und Verhaltensfunktionen u.a. auch unter Zuhilfenahme von standardisierten Testverfahren. Dabei werden die verschiedenen Funktionsbereiche Wahrnehmungsfunktionen, Motorische Fertigkeiten, Denkvermögen (bzw. Intelligenz), Problemlösen, Planen, exekutive Funktionen untersucht. Weiterhin wird auch der seelische Zustand eines Patienten erfaßt, seine soziale Situation vor und nach der Erkrankung, seine Ziele und Lebensentwürfe, die verbliebenen Fähigkeiten, die Behandlungsmotivation, die Einsicht in die vorhandenen Probleme und das soziale Umfeld. Nur aufgrund der Kenntnisse in diesen Bereichen und der Kenntnisse über die neuronalen Prozesse und deren krankhafte Störungen sowie über die grundlegenden neurologischen Prinzipien der medizinischen Therapie und des Krankheitsverlaufes kann ein Einsatz neuropsychologischer Behandlungsmethoden angemessen beurteilt werden. Anhand der Ergebnisse dieser neuropsychologischen Diagnostik, die schriftlich festgehalten werden, erfolgt dann die individuelle Therapieplanung.

Die neuropsychologische Therapie ist wissenschaftlich begründet. Es gibt verschiedene Ebenen der Beeinflussung von neuropsychologischen Störungen, z. B. die der Restitution und der Kompensation. Ziel von auf Restitution abzielende Therapieverfahren ist die Funktionswiederherstellung im Sinne der Reaktivierung der gestörten Funktionen und der funktionellen Reorganisation. Zur Therapie auf dieser Ebene zählen beispielsweise die Therapie von krankhaften Wahrnehmungsstörungen und die Behandlung von krankhaften Störungen spezifischer Aufmerksamkeitsfunktionen. Hier muss möglichst unter intensiver Aufmerksamkeitszuwendung über eine bestimmte Zeit bestimmte Reaktionen geübt werden. Wenn eine Funktionsrestitution nicht mehr möglich ist, können gestörte Funktionen kompensiert werden (z.B. durch die Verwendung von einem Notizbuch bei Gedächtnisstörungen). Je nach Art, Ursache und Ausmaß der Störung können unterschiedliche Kompensationstherapien hilfreich sein. Die genannten Ausgleichsmechanismen werden im Rahmen von Einzel- oder Gruppentherapien schrittweise eingeübt und an die individuellen Bedürfnisse der Patienten angepaßt. Schließlich wird psychologisches Veränderungswissen aus anderen Psychotherapieverfahren (z.B. bei Verhaltensstörungen und bei Störungen der Handlungsplanung) verwendet. Generell gilt, daß die Mehrzahl hirngeschädigter Patienten nicht in dem Maße von ”klassischen” psychotherapeutischen Methoden profitieren können wie andere Patienten ohne Beeinträchtigung zentralnervöser Funktionen. Probleme, die eine psychotherapeutische Behandlung erschweren, sind z.B. Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprobleme, mangelndes Abstraktionsvermögen und rigides Denken, Planungs- und Problemlösedefizite, mangelnde Selbstkontrolle, Mangel an Einsicht, emotional-affektive Veränderungen und Sprach- und Sprechstörungen. Aus diesen Gründen müssen „klassische“ psychotherapeutische Techniken vor ihrer Anwendung bei hirngeschädigten Patienten individuell verändert und an den jeweiligen Patienten angepaßt werden. Für die Behandlung empfiehlt sich eine Mischung aus Aufklärung und Informationsvermittlung, Strategien im Umgang mit Antriebsmangel, sozialem Rückzugsverhalten und Befindlichkeitsstörungen sowie der Vermittlung von Selbstinstruktionstechniken im Umgang mit nicht-kontrollierten Affekten, wie z.B. Aggressionen.

Wie sind klinische Neuropsycholog/innen ausgebildet?

Klinische Neuropsychologinnen und Neuropsychologen haben ein 5jähriges Hochschulstudium im Fach Psychologie und meist noch eine Psychotherapieausbildung absolviert und sich während und nach dem Studium und der Psychotherapieausbildung auf die Diagnostik und Therapie von Patienten mit Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns spezialisiert. Nach einer zwei- bis vierjährigen beruflichen Tätigkeit in anerkannten Weiterbildungseinrichtungen sowie dem Absolvieren von mindestens 400 Theoriestunden, der schriftlichen Dokumentation von Behandlungsfällen und einer mündlichen Prüfung wird das Zertifikat „Klinischer Neuropsychologe GNP“ von der Gesellschaft für Neuropsychologie GNP und inzwischen auch die Zusatzbezeichnung -Klinische Neuropsychologie- von einigen Psychotherapeutenkammern verliehen.

Wie kann man eine ambulante neuropsychologische Therapie erhalten und wie wird sie bezahlt?

Gesetzliche und private Unfallversicherungen genehmigen in der Regel ohne Probleme eine ambulante neuropsychologische Therapie. Die deutsche Rentenversicherung bezahlt diese Behandlung nur in Ausnahmefällen als „ambulante neuropsychologische Nachsorge“. Die ambulante Neuropsychologische Therapie ist noch nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Hier werden in Einzelfällen die Kosten erstattet. Informationen über den derzeitigen Stand der Kostenerstattung erhalten Sie auf der Homepage der Gesellschaft für Neuropsychologie unter http://www.gnp.de/html/aerztepatienten/index.php. Hinweise auf ambulant tätige Klinische Neuropsychologinnen und Neuropsychologen erhalten Sie dort auch unter http://www.gnp.de/html/behandlerliste/index.php.

 

 

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